Liebe Schreibende,
wer liest noch im Sommer am Strand? Bei dieser Hitze am Mittelmeer? Alternative: Zu Hause lesen statt reisen? Ich jedenfalls bin in den letzten Wochen in einen Roman hineingefallen wie in ein erfrischendes Meer und bin mit der Autorin viele, viele, viele Stunden mitgeschwommen. Voller Freude, wie sie mir die Welt erzählt, mein Herz und Hirn öffnet und durchspült. Ich bin im endlosen Staunen darüber, wie diese junge Autorin es geschafft hat, mich über sage und schreibe 1275 (!) Seiten, teils bis spät in die Nacht hinein, in ihrer großen, weiten Erzählung zu halten.
In der kleinen, kleinen, feinen Münchner Buchhandlung „Buchpalast“ wurde mir Nino Haratischwilis vielfach preisgekrönter und bereits in mehreren Übersetzungen vorliegender großer Roman „Das achte Leben (für Brilka)“ empfohlen. Mir scheint, in Deutschland ist die deutsch-georgische 41-jährige Autorin bereits mehr Lesenden bekannt als in Österreich. Seit Tagen empfehle ich diesen spannenden, berührenden, ja sensationellen Mega-Roman allen Menschen, die ich in Wien treffe. Und noch niemand von meinen lesenden Freund:innen kannte ihn. Haratischwili erzählt eine georgische Familiengeschichte über 6 Generationen und 7 Leben von einem Schokoladefabrikanten im späten 19. Jahrhundert bis zu einem 12-jährigen Mädchen in der Gegenwart.
Da ist die Urgroßmutter der Erzählerin, Stasia, eine Tänzerin, deren Karriere in der Sowjetunion unterbrochen wurde; da ist die Großtante der Erzählerin, Kitty, eine Singer-Songwriterin, die im Exil in England in den 1960er Jahren mit Liedern berühmt wird, in denen sie den Schmerz über erlebten Verrat und Gewalt zu fassen sucht. Und viele andere unvergessliche Figuren. Aber was hält die Spannung aufrecht? Worum geht es hier eigentlich? Das Buch richtet sich an ein Du, an die jugendliche Nichte der Erzählerin, Brilka, geboren in Tiflis nach 2000. Brilka ist wütend, suchend, ahnungslos; sie will ausbüchsen und als Tänzerin frei sein. Niza, die Erzählerin im Buch, erkennt, während sie ihre Nichte beobachtet, dass sie ihre eigene Schockstarre im Exil in Deutschland überwinden muss. Sie will nun den Geschichten der Familie auf den Grund gehen, den Lebensläufen, in denen so viel Gewalt, Verrat und Kreativität vorkommt, begegnen. Sie will sie Brilka erzählen, damit diese endlich dem familiären Fluch der magischen heißen Schokolade und der verratenen Träume entgehen kann. Beim Lesen trägt einen diese Dringlichkeit des Erzählens. Dringlich für die fiktive Nichte, für die Autorin und für uns hungrige Leser:innen.
Jetzt sind sie da, die neuen, großen Erzählerinnen mit den dicken Romanen! Kosmopolitisch, feinsinnig, vielschichtig und unfassbar spannend. Lang schon ein Stern am Leserinnenhimmel ist…
Chimananda Ngozi Adichie. Als ich ihren Roman „Americanah“ las, wollte ich am liebsten gleich wieder von vorne wieder beginnen. (Gerade lese ich nochmal den Beginn von „Das achte Leben (für Brilka)“). Adichie liefert uns – wie Haratischwili – eine Geschichte aus einem nicht-westlichen Blickwinkel. The world as seen and told from Nigeria – Adichi hält in diesem Roman frech, cool, aber niemals vereinfachend den USA einen Spiegel vor. Große Empfehlung!
Im letzten Sommer las ich über viele Bahnstrecken und Nächte hin „Die Postkarte“ von Anne Berest, anders als die obigen zwei, ein ganz direkt autobiographischer Roman. Ebenso wie die anderen legt „Die Postkarte“ eine weite Reise zurück, von Russland über Lettland und Israel nach Paris, über viele Generationen hinweg und wie sie miteinander verkettet sind, durch den Schmerz, der bis heute von Ausschwitz ausgeht. Wie schreiben wir uns aus dem Schmerz heraus? Wie erzählen, erkennen wir die Wahrheiten und Wirklichkeiten, die uns eingeschrieben sind? Alle diese großen Romane von diesen großen Erzählerinnen tun das aus einer konsequenten und selbstverständlichen Frauenperspektive. Endlich. Sie sind da, die neuen großen Erzählerinnen.
Ba Ossege schreibt im neuen writers´letter (habt ihr ihn schon bekommen und gelesen?): „Ich will Geschichten hören, die mit mir zu tun haben. Geschichten, die den patriarchalen Horizont überschreiten und eine eigene Stimme haben, um über das zu schreiben, was wir erfahren – mit aller Vielschichtigkeit. (…) Lasst uns gemeinsam unsere Stimmen und Texte entdecken, uns gegenseitig fördern und unterstützen.“
Also lesen wir solche Texte und schreiben wir sie! Unsere neuen Lehrgänge und Seminare sind nun online, viele ganz neue zu literarischem, feministischen und autofiktionalem Schreiben. Check it out!
Für mich selbst ist heuer der August DAS Schreibmonat. Nächste Woche schreibe ich mit den Teilnehmer:innen der Writers´ Summer Residency im writers´studio. Wir öffnen unsere Räume wieder eine ganz Woche lang für intensives Schreiben (Mo, 5 bis Fr, 9. August). Neuerdings ist auch Teilnahme per Zoom möglich! Wer schreibt noch mit? (Frühbucherpreis noch möglich mit dem Stichwort „Das 8. Leben“ bei der Anmeldung)
Danach zieh ich mir den Hoodie über, wenn ich in der geliebten New York Public Library unter dem AC-Strahl weiterschreibe und -forsche, und schlüpfe in ein Sommerkleid, wenn ich abends Lindy Hop tanzen gehe.
Einen schönen Sommer noch mit viel erfrischendem Lesen und produktivem Schreiben wünscht euch
Judith
P.S: Kommt zum Open House am Samstag, 21. September von 9 bis 18 Uhr in den neu belebten Räumen, mit kleinen Snacks in der Mittagspause und abendlichem Abschlussdrink. Wir präsentieren je einen Schnupper-Workshop aus den Lehrgängen Spannendes Sachbuch schreiben, Schreibtrainer*in werden, Passion Writing, Memoir Book und der neuen Workshop-Serie Inky & the Brain. Auch eine Teilnahme per Zoom ist möglich. Details ab Anfang September.
P.P.S: Ab Oktober gibt es monatlich nun den Salon Margareten und ab November monatlich die Text-Sharing Matinee. Check it out!
Aktuell im writers’studio Verein – verein.writersstudio.at
1. Restplätze für Workshops & Retreats
- Writers‘ Summer Residency, Start: 5. August
- Young Freewriters Sommerkurs – Kreatives Schreiben für Jugendliche (10-17 Jahre), Start: 26. August
- Life Writing – Schreibend erinnern, Start: 28. August
- Die große Kunst des Überarbeitens, Start: 16. September
- Lets do HerStory, Start: 25. September
- Autofiktion, Start: 3. Oktober
- Es gibt noch Plätze: Writing Retret in Venedig, Start: 21. November
2. Lehrgänge
- Passion Writing, Start: 10. November
- Memoir Book: Start: 10. November
- Memoir Book II: Start: 16. Februar
3. Kostenlose Zoom-Infotermine & Schnuppertermine
- zum Lehrgang Passion Writing & Memoir Book und zu allen Workshops: Do, 26. Sep (17 Uhr) und Di, 22. Okt (18 Uhr)
- zum Lehrgang Memoir Book II: Do, 12. Sep (18 Uhr)
- Young Freewriters Schnupperworkshop: Sa, 7. Sep (15-17 Uhr)
Anmeldung für die Infoabende bitte per Mail: infoabend@writersstudio.at
4. Schreibtreffs
- Zoom-SchreibNACHT jeden 1. Freitag im Monat!
- NEU: Feminist SchreibClub (feSC) für Absolventinnen, Start: 10. Okt
- NEU: Text Sharing Matinee – 1x im Monat am Sonntagvormittag
- Non-Fiction-Feedback-Gruppe – Im Motivations-Team zu fertigen Sachbüchern, Essays, Memoirs, Blog-Texten u.ä.
- SchreibFABRIK mit Friendly Feedback
- Write-in for members – hybrider Schreibtreff jeden 3. Donnerstag im Monat
- 1-Day Retreat – gemeinsam in den Schreibfluss springen
- NEU: Salon Margareten – jeden 2. Samstag im Monat
Aktuell im Institut für Schreibkompetenz – institut.writerstudio.at
1. Restplätze
- Writers‘ Tricks – In den Schreibfluss eintauchen & schriftlichen Ausdruck stärken.
Start: 13. September (hybrid) oder 4. Oktober (zoom) - Frei geschrieben – Meet & Write (kostenloses Zoom-Treff), Mi, 9. Oktober 2024
2. Lehrgänge
- Schreibtrainer:in werden – Schreibkompetenz und Empowerment, Start: Herbst 24
- Neu: Workshop-Reihe Inky & the Brain, Start: 19. November 2024
- Spannendes Sachbuch schreiben!, Start: Januar 25
3. Kostenlose Zoom-Infotermine
- zum Lehrgang Schreibtrainer:in werden (TIP): Mi, 21. August und Mi, 11. Sep (jeweils 18 Uhr)
- zum Lehrgang Spannendes Sachbuch schreiben. Di, 5. Nov und Di, 3. Dez 24 (jeweils 17 Uhr)
- zur Workshop-Reihe Inky & the Brain: Di, 3. Okt und Di, 10, Dez (jeweils 18 Uhr)
Anmeldung für die Infoabende bitte per Mail: infoabend@writersstudio.at
Bildquellen: newyorker.com, thalia.at