Brief 131: Wie ich allein in der Wüste funkelnde Ideen herbei geschrieben habe

Liebe Schreibende,

im Januar bin ich zwei Mal grippal erkrankt und dazwischen habe ich mich um meinen ebenso erkankten Sohn gekümmert. Also alles mau! Alles fühlte sich diffus, energielos und vor allem ideenlos an. Ideenlos? Das ist das Schlimmste, finde ich. Nichts wie in die Wüste!

Ich hatte schon im November für Anfang Februar eine Reise in mein gutes, altes Kalifornien gebucht, wo ich schon viele private Schreib-Retreats bei einer Freundin und alleine in der Wüste abgehalten habe, die immer, wirklich immer, sehr produktiv gewesen sind. Die Stimmung in L.A. und Umgebung ist zur Zeit eher katastrophisch, „wild fires“ und der gemeingefährliche neue Präsident richten enorme Schäden an. Also, nichts wie in die Wüste! Nur was tut frau allein dort?

Ich hatte für eine Woche eine winzige Hütte in der „high desert“ in der Nähe des Joshua Tree National Parks gemietet. A homestead of ones own. Da gibt es kaum richtige Straßen, keine Straßenlaternen (wegen der Dark Sky Zone!) und die nächsten Nachbarn sind außer Sichtweite. Eine österreichische Freundin sagte: „Hast du da nicht Angst?“

Als ich dort war, dachte ich oft daran. Einmal schrieb ich in meine Morgenseiten das Zitat von Marge Piercy: „A strong woman is a woman strongly afraid.“ Ich hatte jeden Abend ein mulmiges Gefühl, wenn ich in der Dunkelheit vom Auto mit Taschenlampe in meine Hütte ging. Ich sperrte schnell die Tür hinter mir zu, zündete Kerzen an, legte Musik auf, drehte die Heizung hoch und ging Jetlag bedingt sehr früh schlafen. Ich liebe den Jetlagschlaf (nach dem Flug in den fernen Westen). Jeden Morgen beim Schreiben dachte ich: Diese Angst, dieses mulmige Gefühl, auch die manchmal aufblitzende Einsamkeit sind es so viele Male wert, denn was hier mit mir passiert, ist phänomenal.

Jeden Morgen gegen 5 Uhr, als es draußen noch völlig dunkel war, machte ich mir Tee, zündete wieder Kerzen an, legte wieder Musik auf und setzte mich zurück ins Bett zum Journal Writing. Auf meinem Nachttisch gab es Aquarell-Buntstifte, Pinsel, Wasserglas und während vor meinem Fenster die Sonne aufging, schrieb ich frei wie ein Vogel, oder wie ein Stern von hoch oben blickend. Alles neu. Ich zeichnete/kritzelte/malte mit bunten Farben in meinem Visual Diary, ich fragte, ich drehte in meinen Antworten alles Gegebene um, ich machte gedankliche Purzelbäume.  War so sehr bei mir und so frei im Denken und Formulieren. Das Buch „One Drawing a Day“ inspirierte mich ebenso wie  das „Freedow Writers Diary“ . Um 7 Uhr hatte ich schon die Welt neu erfunden, bereite mir ein deftiges Frühstück zu und machte mich für einen Morgenspaziergang durch die Wüsten-Nachbarschaft bereit.

Mit doppeltem Anorak, mit Mütze & Kapuze gegen den sehr starken und kalten Wind, mit Sonnenbrille und zweifacher Kamera (Handy und Lomo-Analog) spazierte ich über die Sandwege, fotografierte andere winzige Wüstenhäuschen und die Yoshua-Trees, die aussehen wie Marsbewohnerinnen, die hallo sagen. Vor allem aber überlegte ich während des Gehens, wie und wo es in meinem Memoir-Buchprojekt an diesem Tag weitergehen wird. Manchmal sprach ich erste Ideen auf das Diktiergerät am Handy. Ich konnte dann nicht schnell genug zurück in meiner Wüstenhütte sein. Dort schrieb ich am Laptop auf der Couch oder am Küchentisch sitzend eilig, drängend, ohne Wenn und Aber an einem Kapitel, das ich ein Jahr lang aufgeschoben, aufgehoben hatte für dieses Retreat. Ich hatte dafür genau diese sechs Vormittage und wollte unbedingt eine erste Version, einen „shitty first draft“, fertig bekommen.

Ich denke, was es braucht für Retreats alleine in der Abgeschiedenheit ist: Struktur, Rituale, Kontakt und Bewegung. Ich fand am ersten Tag in der Gegend ein tolles Yoga-Institut, Earth Yoga & Spa, wo ich dann jeden Nachmittag/Abend hinfuhr. Die Bewegung in der Gruppe tat gut und gab mir Gelegenheit zu etwas Smalltalk. Davor machte ich immer eine kleine Wanderung oder Erledigungen. Für mich ist es an solchen Schreibtagen wichtig, lange Pausen zu machen und aus dem Schreibzimmer wegzukommen. Auch das Herumfahren mit dem Auto in dieser dramatischen Wüstengegend bei lauter Musik weitete meinen Blick aus dem Bildschirmtunnel. Bei einem speziellen Atem-Workshop, der zufällig in „meinem“ Yoga-Studio angeboten wurde, purzelte dann plötzlich eine Erkenntis zu dem Buchkapitel hervor, an dem ich schrieb, die nun wirklich alles drehte. In meinem Buch, in meinem Denken.
Magic Mindwriting eben.

Wie kommt das Neue in die Welt? Schreiben, Malen/Kritzeln, Bewegung, All-ein-Sein und doch verbunden. Für all das müssen wir nicht in die Wüste fahren. Wer diese Strategien mal beherscht, kann sie auch in der Großstadtwüste oder in einer Waldhütte nutzen, um Ideenfindung & Selbtcoaching auf völlig neue Ebenen zu  heben.

Komm in unsere Workshops:
o    Visual Diary: Spielerisches visuelles Gestalten im Journal als Türöffner & Vertiefung, Präsenzworkshop mit Ida Räther-Kronica (ab 3. April)
o    Journal Writing: Ein Schreibraum mit dir selbst, Präsenzworkshop mit Barbara Lachnit (ab 1. Mai)
o    Magic Mindwriting: Ideenfindung & Selbstcoaching durch freies Schreiben, Zoom-Workshop mit mir (ab 8. Mai). Jetzt neu hinzugefügt in unserer genialen Workshop-Serie Inky & the Brain*.

Ich freue mich schon sehr auf Samstag, wo wir in unserem coolen Salon Margareten die Geschichte der Margareta unseres Bezirks gemeinsam neu schreiben werden! Yeah! Komm!

Wir freuen uns auf dich!
Judith

PS: Oftmals haben Blog-Texte & Mailings eigentlich die Form von „Essays“. Hat er dir mein hiesiger Essay über mein Ideen-& Schreib-Retreat in der kalifornischen Wüste gefallen? Dich zum Nachdenken und Tun angeregt? Möchtest du auch Essays schreiben, über dein Spezialthema? Komm in meinen Workshop „Starke Essays, Kommentare & Meinungstexte: Endlich ICH schreiben!“ (Start am 1. April), er ist Teil der Serie „Inky & the Brain“ und förderbar.

*PPS: Alle Workshops der Serie Inky & the Brain sind förderbar! Weil unser Institut für Schreibkompetenz mit dem Wien Cert und dem ÖCert zertifiziert ist, kannst du beim WAFF und anderen Fördereinrichungen Geld dafür bekommen! Diese Woche startet der von Evi Hammani-Freisleben neu entwickelte Workshop „Creative Ink Tank: Kreative Methoden für die Wissenschafskommunikation“ (ab Di, 4. März!). Komm!

 

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