Liebe Eva, liebe Schreibende,
danke für dein Mail, ich finde deine Frage so spannend, dass ich sie gleich zum Thema meines ersten Briefes mache. So ein „Brief über´s Schreiben“ soll nun – anstelle der Mailings zu den einzelnen Seminaren – 1 x im Monat an alle Interessierten gehen. Falls der Brief am Bildschirm schwer lesbar ist: Bitte ausdrucken.
Also, du hast mir geschrieben: „Ich hab in letzter Zeit an dich gedacht – weil ich gern deine Tricks hören würde, wie du es geschafft hast, neben David kreativ produktiv zu bleiben…“
Anne Lamott hat ja das erste Lebensjahr ihres Sohnes in „Operating Instructions“ dargestellt. Mich hat das Buch sehr inspiriert. Anne Lamott hatte als alleinstehende freischaffende Autorin überhaupt kein Geld, doch eine Nanny für ihr Baby hat sie sich für ein paar Stunden pro Tag geleistet. Eine Studentin ging 1-2 Stunden mit ihrem Kind spazieren und währenddessen schrieb Anne Artikel, Buchseiten etc.
Als ich schwanger war, rannte ich mit einem „Rabenmutter“-T-Shirt herum, das brachte viele zum Lachen. Wie wird frau eine liebevolle Rabenmutter? Wie bleibt frau kreativ produktiv als Mutter? Als David 4 Monate war, organisierte ich mir auch verschiedene Leute (Babysitter, Freundin, Oma), die vormittags 2 Stunden mit ihm raus gingen. Das gefiel allen, David gewöhnte sich dadurch auch früh an andere. Ich habe erlebt, dass liebevolle externe Kinderbetreuung für alle sehr wichtig und gut ist: für das Kind und für die kreative Mutter.
Die Autorin Rebecca Walker schrieb nach der Geburt ihres Sohnes das Buch „Baby Love“, über ihre Ängste Mutter zu werden, die sie schon von ihrer Mutter, Alice Walker, eingeimpft bekommen hatte, über ihre Schwangerschaft und wie dann mit dem Kind alles anders war: Leichter, schöner, intensiver als sie sich das je vorstellen konnte. Laura, die in meiner Sachbuch-Gruppe ist, sagt, sie hat immer die Schlafzeiten ihres Kleinkinds für das Schreiben genutzt. Rebecca schreibt, dass sie bevor sie Mutter war, immer sehr genau ihre Schreibzeiten, Schreiborte, Schreibrituale beachtete und sehr leicht irritierbar war. Und als das Kind da war, lernte sie – sobald eine Gelegenheit da war – sich spontan irgendwo hinzusetzen und loszuschreiben. Jetzt oder nie.
Auch David hat, zumindest als Baby am liebsten und besten an mich gekuschelt geschlafen. Ich begann mit ihm in der Babytrage zu schreiben. Noch dazu saß ich auf einem Hüpfball und schaukelte leicht hin und her, er schlief und ich schrieb – seelig.
Doch irgendwann hören die Kinder auf so viel zu schlafen, und irgendwann drängen sich auch andere Arbeiten (Broterwerb…) in das Leben der Mütter. David ging ab seinem 1. Geburtstag halbtags in eine Kindergruppe, und ich nutzte jede freie Minute, um in Windeseile das writers´studio zu managen. Dennoch schrieb ich zuerst meine „Morgenseiten“ (Julia Cameron). Das brauchte ich mehr denn je, um den Rollenwechsel zu schaffen. Ich schrieb Gefühle, Gedanken und Erfahrungen als Mutter nieder und fuhr langsam meine „innere Unternehmerin“ hoch. Zeit und Energie für kreative Projekte blieben mir damals nicht. Doch mein Wunsch blieb, auch wieder mal anderes zu schreiben und durch die Morgenseiten blieb ich dran.
Was mich aus dem reinen Wunschdenken rausholte, war ein Schreib-Workshop. Ich flog als David 1½ war für 10 Tage nach Amerika. Das fiel mir gar nicht leicht! (Ich nutzte die Abwesenheit auch zum Abstillen) Und doch war es für uns alle sehr produktiv. Vater und Großvater meines Sohnes übernahmen freudig das Ruder und ich schrieb in Los Angeles Texte in einer ganz neuen Art.
Das ist die „good news“: Glaube nicht, dass du dich durch ein Kind „verlierst“. Wenn du dir regelmäßig Schreib-Einheiten organisierst, d´ran bleibst und dich voll in diese neue Liebesbeziehung zu deinem Kind einlässt, die die Welt auf den Kopf stellt, wirst du wachsen. Etwas neues gedeiht in dir.
<Ich persönlich kenne mehrere Frauen, die nachdem sie Mutter geworden sind besser geschrieben haben: authentischer und mutiger. Sylvia hat das Buch, das sie als Unternehmensberaterin für Selbständige zu schreiben begonnen hat, nachdem ihr Sohn 2 Jahre alt war, komplett neu geschrieben. Sie hat ein neues System des Marketing entwickelt, eines das, wie sie sagt, aus der Fülle und nicht aus der Perspektive des Mangels (Konkurrenz, Kampf etc.) kommt.
Also, liebe Eva, also liebe Schreibende, ob ihr Mütter seid oder nicht,
- organisiert Euch kleine Schreibeinheiten, um an den eigenen Wünschen, Erfahrungen & Ideen dran zu bleiben,
- holt Euch Unterstützung (Babysitter, Kindergruppen, Schreibworkshops etc.) und
- vertraut auf den Komposthaufen Eurer Kreativität. Wer so einen radikalen Perspektivenwechsel und Erfahrungsschub erlebt, wie Mütter das heutzutage tun, und regelmäßig schreibt, der werden die Augen aufgehen und Texte erblühen…
Und ich freu mich auf diese authentischen & kraftvollen Texte, Artikel & Bücher!
Judith
PS: Ich bin gespannt auf Eure Kommentare hier auf meinem neuen Blog.
Aktuell im writers´studio:
1. Restplätze:
Sachbuch schreiben: Von der Buch- Idee zur Publikation, Start Fr, 22.10.
2. Gratis Infoabende:
Do, 28.10., 19 Uhr: Frei geschrieben: Studium abschließen mit Schwung & Strategie
Do, 11.11., 19 Uhr: Nach den Sternen greifen: Bewerbungen schreiben für den Herzensberuf
3. Weitere Schreibtermine:
Freewriters´ Monday: Jeden 1. Montag im Monat. Schreibnacht: Jeden 1. Freitag im Monat
Das Jahresprogramm 2010/11 des writers´studio gibt´s auf unserer Website und in unserer gedruckten Zeitung „Writers´ Letter“, den du hier gratis bestellen kannst.
liebe judith, liebe schreibende!
dein brief hat mir mut gegeben!!
und ich werde gerne deinen brief blog besuche, jetzt wo ich weit weg von wien hinter meinem diss text sitze und schreiben, schreiben, schreiben muss-will-soll :-)
in den letzten jahre habe ich schon diverse probleme im akademischen schreiben kennen gelernt; darunter auch das schreiben mit und neben einem säugling, baby, kleinkind, trotzkind, kindergarten kind. und jede phase hat so ihre schwierigkeiten die sich auf mein schreiben und akademisches arbeiten ausweiten. zb war mein sohn gar kein baby, dass viel schlief ergo war da anfänglich kaum zeit für schreiben. dann mit organisierter kinderbetreuung kam die herausforderung auf mich zu, die gewonnene zeit auch produktiv für das schreiben zu nutzen und mich nicht nur in haushalt und wohlverdienten verschnaufpausen zu verlieren. zu schnell kamen dann wieder job verpflichtungen, alltagsprobleme und irgendwie der übliche trott dazu.
und somit wurde das schreiben mit und neben einem kind wieder zum normalen schreiben, dass mir mal leichter mal schwerer von der hand geht…. nur …irgendwie geht es langsamer aber fokussierter voran :-)
alles liebe an alle schreibende mit kidern und anderen wesen, die vom schreiben lustvoll ablenken
aline
Also diese liebevolle Art eines Newsletter- Services finde ich toll!!!!!
Herrlich, danke für diesen Eintrag! Sollte man plakatieren – schließlich betrifft es nicht nur Schreibende, sondern Mütter generell…
Alles Liebe, Ilse
Danke für das tolle Feedback. Ja, Ilse, wenn du jemanden kennst der es plaktieren oder anderwertig publizieren will, gerne.. ;-)
liebe judith,
dein brief ist wunderschön. du hast offenbar ein gutes maß gefunden zwischen rücksicht und auf-dich-schauen.ich habe immer sehr viel rücksicht auf meine kinder genommen, vielleicht manchmal zu viel. ich habe mich dabei immer wieder verloren. aber muttersein erweiterte mich sehr und jetzt, da beide schulkinder sind und ich sehe, dass sie stark sind, gehe ich gern auch wieder eigene wege und der führt mich auch bald in die pramergasse…
alles liebe, karin