Liebe Schreiber_innen,
vorige Woche habe ich Saskia Jungnikls autobiographisches Buch „Papa hat sich erschossen“ fertig gelesen und die Autorin getroffen. Ihr findet, dass ein Memoir über Suizid kein passendes Thema für einen Weihnachtsbrief ist?
Doch!
Warum?
Die „Frohbotschaft“, wenn wir das mal jetzt so nennen wollen, dieses Buches ist stark. Wie bei jedem „Memoir“, das diesen Namen verdient(mehr zu den Besonderheiten von „Memoir“ später). Die im Buch versteckte Frohbotschaft ist, dass die schlimmsten Erfahrungen im Leben überlebbar sind, wenn… Saskia Jungnikl erzählt vom Suizid ihres Vaters, der vor ein paar Jahren ihr Leben und das Leben ihrer Familie völlig aus den Bahnen geworfen hat. Was passiert mit einer jungen, starken Frau, einer Journalistin, einer Schreiberin, wenn Trauma und Trauer um sich greifen? Was läuft da ab mit ihr, in ihr, in ihrer Umgebung? Wie überlebt eine so etwas? Wodurch und wann wird das Weitergehen im Leben wieder möglich?
Und genau das ist es, was ein „Memoir“ ausmacht! Dieses Genre füllt in den USA Bestsellerlisten (z.B. „Eat, pray, love“), viele hochrangige AutorInnen wie Siri Hustvedt („The shaking woman“) publizieren Memoirs. Achtung: Ein „Memoir“ ist keine „Autobiographie“. Es geht nicht um das _ganze_ Leben einer Person, sondern um eine _einzelne_ bemerkenswerte Geschichte, die literarisch erzählt wird. Und es ist fast immer die Geschichte des Überlebens. Bei „Eat Pray Love“ ist es eine desaströse Scheidung, von der sich Elizabeth Gilbert mit Hilfe einer 1-jährigen Reise um die Welt erholt und sich ganz neu wieder findet. Siri Hustvedt erzählt die Geschichte ihrer Nervenkrankheit.
Die ersten „Memoirs“ waren die publizierten Geschichten der afroamerikanischen Sklaven, die von ihren Sklavenhaltern in den Südstaaten fliehen konnten. Nach gelungener Flucht in den Norden schrieben sie ihr „Memoir“, ihre Testimony: „So war es, so funktionierte die Flucht, ich habe überlebt. Und du, lieber Leser, liebe Leserin, du Sklave, du Sklavin, auch du kannst flüchten, weitergehen, dich befreien!“ Der Film „12 years a slave“ basiert übrigens auf dem gleichnamigen Memoir von Salomon Northup aus dem Jahr 1853.
Mir fällt auf, dass das Memoir-Genre nun – mit den üblichen Jahren Verspätung – so richtig bei uns ankommt. In Österreich sind z.B. in den letzten Wochen 3 autobiographische Bücher erschienen, die nun bei mir am Lesetisch liegen: Neben Saskia Jungnikls Buch liegt „Die blaue Brosche“ von Max Kübeck und „Mein Vater, der Deserteur“ von René Freund. In allen dreien geht es um Väter!
Schon seit einigen Jahren bieten wir im writers´studio Memoir-Seminare an. Es ist erstaunlich, berührend und großartig, welche Geschichten da entstehen. Nicht alle für die Öffentlichkeit gedacht, aber alle mit enormem Mehrwert. Für die Schreibenden sowieso, auch für die ZuhörerInnen, die LeserInnen. Das sind keine depressiven Geschichten, die sich im Sumpf suhlen. Wir alle wollen wissen, wie andere das Leben überleben, meistern, gut und stark. Rise like a phoenix… so wie Conchita Wurst ;-)
Auch Saskia Jungnikl sprach vom „Mehrwert“, als ich mich mit ihr traf: Sie wollte nicht einfach aufschreiben, wie schlecht es ihr nach dem Suizid ihres Vaters über Jahre hin gegangen ist. „Dieses Buch ist kein veröffentlichtes Tagebuch.“ Es ging ihr um den Mehrwert ihrer Geschichte. Was können andere aus ihrer Geschichte mitnehmen?
Saskia Jungnikel sagt: „Viele LeserInnen erzählen mir, dass sie in meinem Buch Aspekte ihrer eignen speziellen, ganz anderen Geschichte wiedererkennen und das freut mich sehr“. Außerdem handelt „Papa hat sich erschossen“ auch vom Umgang unserer Gesellschaft und v.a. der Medien mit Suizid. Was eine viel sensiblere Berichterstattung ändern könnte! Nicht zuletzt geht es in Saskia Jungnikls Buch um Suizid-Prävention… um das Leben also!
Und wenn das nicht weihnachtlich ist ;-)
In diesem Sinne: Feiern wir das Leben!
Eure Judith Wolfsberger
PS: Ab Jänner startet unser Memoir-Seminarprogramm, inklusive neuer Memoir-Aufbauseminare! Ein paar Plätze sind noch frei.
Fotorechte:
Saskia Jungnikl © Rafaela Pröll
The Shaking Woman © Sceptre Verlag
Twelve Years a Slave © Atria / 37 Ink
Die blaue Brosche © Czernin Verlag
Papa hat sich erschossen © Verlag FISCHER
AKTUELL IM WRITERS´STUDIO:
1. Restplätze für Seminare, die im Jänner 2015 starten:
Mindwriting zum Jahreswechsel, 2.-4. Jänner
Sachbuch, für AbsolventInnen von Writers´Tricks oder Frei geschrieben, Start: 13. Jänner
1×1 des Journalistischen Schreibens , Start: 17. Jänner
Life Writing, Start: 19. Jänner
Memoir schreiben: Einführungs- & Aufbaukurse, Start: 24. Jänner
Collage Writing, 30.-31. Jänner
2. Gratis Infoabende für Seminare:
Fr. 13. März, 17 Uhr: Infoabend für alle Seminare aus „Writing for your ProfessIon: Writers´ Tricks, Web, Flyer & Co, 1×1 des Journalistischen Schreibens, Geniale Textbausteine für Facebook, Blogs & Co etc.
Fr. 20. März, 17 Uhr: Infoabend für alle Seminare aus “Passion Writing”: Mindwriting, Short Story, Life Writing, Collage Writing, Krimi schreiben, Poetry! & Screenwriting
3. Schreibtreffs im writers´studio:
Einfach kommen. Keine Anmeldung nötig.
Schreibnacht: Jeden 1. Freitag im Monat. Die Themen finden Sie auf unserer Website.
Schreib-Fabrik mit Feedback: Jeden 3. Donnerstag im Monat.
Schreib-Café mit Easy Yoga: Jeden letzten Donnerstag im Monat. Entfällt am 25. Dez.!
One Day Writer`s Retreat . Schreibmontag auf der urbanen Insel: 1 x im Monat. Nächste Termine 10.11., 1.12., 12.1., 2.2. & 2.3.2015. Anmeldung bitte über www.writersstudio.at