Brief 90 : Writing Teachers Club Vienna!

Liebe Schreibende,

unlängst fragte mich ein älterer Soziologe, den ich zufällig traf, ganz erstaunt, was denn bitte am wissenschaftlichen Schreiben schwer sei und was ich denn da bitte lehre? Oh my … Wenn´s um die Lehre anderer Textsorten geht, wie z.B. Essay Writing, gibt es von Fachfremden ohnhin nur mehr Kopfschütteln, im besten Fall neugierige Fragen. Ähnlich wie beim Schreiben tut es beim Schreibenlehren so gut, sich mit anderen auszutauschen, die das gleiche tun. Und nicht immer von Anfang an erklären zu müssen, was frau da eigentlich tut. Noch besser als mit einer Kollegin mal zwischen Tür und Angel über Seminarsituationen zu quatschen wäre natürlich eine kreativ und liebevoll angeleitete, gemeinschaftliche Reflexion. So dachte sich das auch Eva Kuntschner, langjährige Trainerin im writers´ studio. Sie ist nun auch ausgebildete Supervisorin mit besonderem Fokus auf  Schreibtrainer*innen. Yeah! Das writers´studio hat ja mittlerweile über 100 Schreibtrainer*innen im TIP ausgebildet und ab April 2021 startet unter der Leitung von Eva Kuntschner unser

Writing Teachers Club Vienna

Friendly Feedback & professionelle Supervision für Schreibtrainer*innen

Hier ein Interview über den Club, seine Hintergründe und Ziele:

Judith Wolfsberger: Liebe Eva, du hast, als wir über deine Arbeit als Supervisorin für Uni-Lehrende sprachen, gesagt:  „Die lieben das!“. Was genau lieben sie?

Eva Kuntschner: Die Uni-Lehrenden in meiner Supervisionsgruppe lieben es zu entdecken, dass es ein Format gibt, in dem sie über ihre Arbeit als Unterrichtende und das gesamte Sammelsurium an Rollen, das damit einhergeht, nachdenken können. Da können sie benennen, was schwierig ist, womit sie Probleme haben, wo sie unsicher sind, wo sie etwas nicht wissen und zwar in einem sicheren kollegialen, unterstützenden Rahmen, in dem sie nicht beurteilt und kritisiert werden. Sie lieben es, erstmal einfach verstanden zu werden.

Wer unterrichtet, trainiert u.ä., muss immer Expert*in sein, souverän sein, alles wissen, darf nie unsicher sein. Das ist auf die Dauer sehr, sehr anstrengend, v.a. wenn man das alles alleine machen muss, was in unserem Job ja sehr oft der Fall ist, denn die Kolleg*innen sieht du oft nur zur Schlüsselübergabe. Da tut es einfach gut, mal von anderen zu hören, wie es denen so geht mit den Dingen, die das Lehrende-/Trainer*in-Sein sonst noch so ausmachen, neben dem, sich fachlich gut auszukennen und die eigenen Inhalte vermitteln zu können.

Und da kommt ganz schön viel zusammen: An jeder Seminarteilnahme hängt eine Lebensgeschichte. In unseren Schreib-Seminaren kann das z.B. die Geschichte des schwierigen Uni-Abschlusses oder einer überstandenen Krebserkrankung und des daraus entstandenen Memoirs sein. Oder die Geschichte des Sonetts zur Beendigung der Ehekrise oder die der jungen Frau, die sich aus Angst vor der Deutschlehrerin nicht mehr zu schreiben traut. Mir fallen da unzählige Beispiele ein. Diese Geschichten lassen sich nicht mit reinem Fachwissen über Schreiben und den damit verbundenen Prozessen aufarbeiten. Da geht es auch um andere Fragen: Wie gehe ich mit so einer Situation um? Wo endet auch mein Kompetenzbereich? Wie grenze ich mich ab? etc. etc. Dies mit anderen zu besprechen, die genau wissen, wie sich das anfühlt, beschreiben die Uni-Lehrenden, mit denen ich arbeite, als wunderbar entlastend, stärkend und befreiend.

 

Judith: Ab April 2021 startet wir im writers´ studio eine Supervisions-Gruppe namens „Writing Teachers Club Vienna“. Was wird da abgehen?

Eva: Sehr ähnlich wie die Text-Feedback-Gruppen im writers´studio, die wir alle kennen und lieben. Wir treffen uns zu bestimmten Terminen außerhalb des Arbeitsgeschehens und besprechen Geschichten – in diesem Fall halt nicht geschriebene Geschichten in Form von Texten, sondern sogenannte „Fälle“, also Geschichten aus dem eigenen Arbeitsalltag. Meist reden wir über Situationen, die schwierig waren in dem Moment, wo sie passiert sind und eventuell auch noch im Nachhinein, die einer immer wieder einfallen. Aber es geht auch um das, was gut gelaufen ist, welche Ressourcen jede*r mitbringt. Wir wollen Stärken stärken, um dadurch mit Herausforderungen in der Arbeit als Schreibtrainer*innen besser umgehen zu können.

In so einer „Gruppensupervision“ kann jede*r mit ihren/seinen „Fällen“ kommen und sie mit den anderen, an dieser konkreten Geschichte unbeteiligten oder nur am Rande beteiligten Kolleg*innen besprechen. Im Sinne der kollegialen Fallberatung, die ähnlich ist wie Friendly Feedback, gehen wir nach einem klaren, vorgegebenen Schema einen „Fall“ durch, am Ende steht immer die Lösungsfindung. Davor gibt es aber noch andere Schritte, die solche Besprechungen immer total spannend und interessant machen. Durch die Geschichten der anderen nimmt man mindestens so viel mit wie wenn gerade der eigene „Fall“ dran ist.  Das Wort „Fall“ mag ich übrigens nicht so, weil es mich an die Krimisprache erinnert. Wir stehen hier nicht vor Gericht und es geht nicht um Wahrheitsbeweise oder sowas! Darum spreche ich lieber von „Geschichten“.

Judith: Spannend. Was sind besondere Knackpunkte in der Supervisionsgruppe, üblicherweise?

 

Eva: Im Arbeitsalltag als Trainer*in musst du in kurzer Zeit ganz viele Entscheidungen treffen, die teilweise sehr weitreichende bzw. nicht abschätzbare Folgen haben. Wir kennen das alle: Gehe ich auf diese Wortmeldung ein oder nicht? Lasse ich es zu, dass jemand von den Teilnehmenden die Führung an sich nimmt? Wie lange bleibe ich nach dem Workshop noch stehen und plaudere? Wie sage ich, wenn mir was zu viel ist?

In solchen Situationen hat eine Trainer*in nicht viel Zeit zum Überlegen. Erst im Nachhinein kommt sie zum Nachdenken. In Gruppensupervision findet dieses professionelle Reflektieren – „professional reflection on action“ – nicht allein im stillen Kämmerlein oder in der U-Bahn oder mal zwischendurch statt, sondern bekommt Zeit und Raum und einen Rahmen, in dem wir sie sicher und stressfrei gemeinsam mit anderen praktizieren können. Das führt dann dazu, dass sich das eigene professionelle Repertoire erweitert.

Besonders schöne Situationen, auf die wir uns wirklich freuen dürfen: Wenn wem ein Licht aufgeht, wenn wer sagt: „Ah so, so hab ich das noch gar nicht gesehen“ oder „Stimmt, so könnte ich das auch mal probieren.“ Dieses Aufzeigen von neuen Möglichkeiten kommt aber nicht als Besserwisserei daher, sondern als Unterstützung, als Friendly Feedback, als Angebot. Es geht nicht um Ratschläge, sondern um ein gemeinsames Erarbeiten von Lösungsmöglichkeiten, von denen die jeweilige Person sich dann die aussuchen kann, die ihr passend vorkommen, genau wie bei unserem Friendly Feedback auf Texte.

Der Begriff „Supervision“ heißt ja eigentlich „Aufsicht“, klingt auch ein bisschen nach Überwachung… ?

Eva: Das Wort „Supervision“ kommt aus der Sozialen Arbeit und aus der Psychoanalyse, wo es in beiden Fällen in Ausbildungssituationen darum geht, Ausbildungskandidat*innen in ihrer Arbeit mit Klient*innen und Patient*innen zu begleiten, ohne, dass die Ausbildner*innen direkt dabei sind. Daher „Super-Vision“, also „von oben draufschauen“. Ja, das hat einen Überwachungsbeigeschmack, aber ich find das in Ausbildungskontexten auch nachvollziehbar, dass man nachschauen will, ob die Ausbildungskandidat*innen das Gelernte auch professionell umsetzen.

Ursprünglich kommt das Wort „Supervision“ übrigens aus dem deutschen Sprachraum und wurde im Zuge der Auswanderung von vielen deutschsprachigen Menschen im 19. und 20. Jahrhundert (Stichwort: Nazi-Deutschland) in die USA „exportiert“. Im Grunde geht es um eine Qualitätssicherung von professioneller Arbeit in Berufen, in denen in extrem dynamischen Situationen ganz schnell Entscheidungen getroffen werden müssen, ohne Zeit zum Nachdenken. Deswegen haben auch Ärzt*innen Supervision, z.B.

 

Judith: Wie wird da gearbeitet?

Eva: Methodisch ist in der Supervision ganz viel möglich, von Reden über Schreiben bis zu Zeichnen und szenisch Nachspielen, es kommt wirklich ganz drauf an, wer supervidiert und was supervidiert wird (eh wie bei Schreibworkshops auch J) und welchen Auftrag die Supervisorin hat. Ich persönlich komme aus der Gruppendynamik, meine Supervisions-Ausbildung hatte dann auch psychodynamische und systemische Komponenten, d.h. ich decke da ein breites Spektrum ab. Außerdem gibt es immer eine Verschwiegenheitsvereinbarung unter allen Teilnehmenden. Ich als Supervisorin unterliege sowieso der Schweigepflicht.

 

Judith: Warum hast du dich entschieden, nach all deinen Ausbildungen noch einen aufwändigen Master in Supervision zu machen?

Eva: Eine zentrale Motivation für mich war, dass ich in den Gruppen-Supervisionen, an denen ich teilgenommen habe und es immer ganz, ganz toll gefunden, gemerkt habe, dass eigentlich niemand wirklich wusste, was Schreibtrainer*innen eigentlich so tun. Ich wollte also das Thema Schreibtraining in die Supervisionsszene tragen und umgekehrt die Supervision zu den Schreibtrainer*innen bringen.

 

Judith: Cool! Wir gründen nun also den „Writing Teachers Club Vienna“ unter deiner Leitung. Ich finde ja „writing teacher“ ein viel schöneres Wort als „Schreibtrainer*in“. Also:  Inwiefern wird „Writing Teachers Club Vienna“ das Leben und Lehren von uns „writing teachers“ besser, einfacher und schöner machen?

Eva: Ich würde es wahnsinnig schön finden, wenn es gelänge, eine „community of writing teachers“ aufzubauen, analog zu der tollen „community of writers“, die es im writers‘ studio schon gibt.

Die Teilnehmer*innen werden das ähnlich spüren wie beim Friendly Feedback auf Texte: Sie werden die Gruppe hinter sich spüren, wie sie eine anschiebt, unterstützt, anfeuert, sich freut, wenn etwas gelingt, solidarisch empört ist, wenn etwas nicht so gut läuft…

Unser Job als Schreibtrainer*innen ist nicht einfach, egal, ob wir im kreativen, professionellen oder wissenschaftlichen Schreiben unterwegs sind. Es gibt viele Herausforderungen, nicht erst durch aber schon auch durch Corona, man ist immer wieder sehr einzeln, es gilt auch, mit Konkurrenz umzugehen etc.

Mit dem „Writing Teachers Club“ wird ein Raum entstehen, in dem wir unter unterstützenden Kolleg*innen sind, die sich gegenseitig entlasten und inspirieren und voneinander lernen. Sounds pretty cool to me… :-)

Judith: Und wie!

Übrigens der Writing Teachers Club findet hybrid statt: also per Zoom und in Wien 9.
Außerdem bieten wir ab sofort viele verschiedene Weiterbildungs-Workshops für Schreibtrainer*innen: TIP Up! Nun als Einzel-Workshops buchbar!

Keep on writing & join our writing teachers community!

Judith Wolfsberger

PS: Achtung: Ab nächster Woche, Di, 23. März findet unser beliebter Workshop-Klassiker „1 x 1 des Journalistischene Schreibens für Nicht-Journalist*innen“ erstmals per Zoom statt. Und dann erst wieder 2022. Also, rasch anmelden!

PPS: Und für alle, die ihr Blogs, Werbetexte, Pressemittelungen u.ä. aufpeppen wollen, gibt´s  nun Storytelling fürs Business erstmals als Hybrid-Workshop! Also ein paar Sitzplätze in unserem Seminarraum, dazu werden Zoom-Teilnehmer*innen per Videokonferenz-System dazu geschaltet. Start im März und Mai.

 

 

AKTUELL IM WRITERS´STUDIO

1. Web-Workshops per Zoom

2. Präsenz- & Hybrid-Workshops (HYB =Teilnahme mit Zoom möglich)

3. Kostenlose Infotermine & Infoabende

4. Schreibtreff im writers´studio in Corona Zeiten

Fotorechte: Eva Kuntschner & Ida Räther