Brief 131: Wie ich allein in der Wüste funkelnde Ideen herbei geschrieben habe

Liebe Schreibende,

im Januar bin ich zwei Mal grippal erkrankt und dazwischen habe ich mich um meinen ebenso erkankten Sohn gekümmert. Also alles mau! Alles fühlte sich diffus, energielos und vor allem ideenlos an. Ideenlos? Das ist das Schlimmste, finde ich. Nichts wie in die Wüste!

Ich hatte schon im November für Anfang Februar eine Reise in mein gutes, altes Kalifornien gebucht, wo ich schon viele private Schreib-Retreats bei einer Freundin und alleine in der Wüste abgehalten habe, die immer, wirklich immer, sehr produktiv gewesen sind. Die Stimmung in L.A. und Umgebung ist zur Zeit eher katastrophisch, „wild fires“ und der gemeingefährliche neue Präsident richten enorme Schäden an. Also, nichts wie in die Wüste! Nur was tut frau allein dort?

Ich hatte für eine Woche eine winzige Hütte in der „high desert“ in der Nähe des Joshua Tree National Parks gemietet. A homestead of ones own. Da gibt es kaum richtige Straßen, keine Straßenlaternen (wegen der Dark Sky Zone!) und die nächsten Nachbarn sind außer Sichtweite. Eine österreichische Freundin sagte: „Hast du da nicht Angst?“

Als ich dort war, dachte ich oft daran. Einmal schrieb ich in meine Morgenseiten das Zitat von Marge Piercy: „A strong woman is a woman strongly afraid.“ Ich hatte jeden Abend ein mulmiges Gefühl, wenn ich in der Dunkelheit vom Auto mit Taschenlampe in meine Hütte ging. Ich sperrte schnell die Tür hinter mir zu, zündete Kerzen an, legte Musik auf, drehte die Heizung hoch und ging Jetlag bedingt sehr früh schlafen. Ich liebe den Jetlagschlaf (nach dem Flug in den fernen Westen). Jeden Morgen beim Schreiben dachte ich: Diese Angst, dieses mulmige Gefühl, auch die manchmal aufblitzende Einsamkeit sind es so viele Male wert, denn was hier mit mir passiert, ist phänomenal.

Jeden Morgen gegen 5 Uhr, als es draußen noch völlig dunkel war, machte ich mir Tee, zündete wieder Kerzen an, legte wieder Musik auf und setzte mich zurück ins Bett zum Journal Writing. Auf meinem Nachttisch gab es Aquarell-Buntstifte, Pinsel, Wasserglas und während vor meinem Fenster die Sonne aufging, schrieb ich frei wie ein Vogel, oder wie ein Stern von hoch oben blickend. Alles neu. Ich zeichnete/kritzelte/malte mit bunten Farben in meinem Visual Diary, ich fragte, ich drehte in meinen Antworten alles Gegebene um, ich machte gedankliche Purzelbäume.  War so sehr bei mir und so frei im Denken und Formulieren. Das Buch „One Drawing a Day“ inspirierte mich ebenso wie  das „Freedow Writers Diary“ . Um 7 Uhr hatte ich schon die Welt neu erfunden, bereite mir ein deftiges Frühstück zu und machte mich für einen Morgenspaziergang durch die Wüsten-Nachbarschaft bereit.

Mit doppeltem Anorak, mit Mütze & Kapuze gegen den sehr starken und kalten Wind, mit Sonnenbrille und zweifacher Kamera (Handy und Lomo-Analog) spazierte ich über die Sandwege, fotografierte andere winzige Wüstenhäuschen und die Yoshua-Trees, die aussehen wie Marsbewohnerinnen, die hallo sagen. Vor allem aber überlegte ich während des Gehens, wie und wo es in meinem Memoir-Buchprojekt an diesem Tag weitergehen wird. Manchmal sprach ich erste Ideen auf das Diktiergerät am Handy. Ich konnte dann nicht schnell genug zurück in meiner Wüstenhütte sein. Dort schrieb ich am Laptop auf der Couch oder am Küchentisch sitzend eilig, drängend, ohne Wenn und Aber an einem Kapitel, das ich ein Jahr lang aufgeschoben, aufgehoben hatte für dieses Retreat. Ich hatte dafür genau diese sechs Vormittage und wollte unbedingt eine erste Version, einen „shitty first draft“, fertig bekommen.

Ich denke, was es braucht für Retreats alleine in der Abgeschiedenheit ist: Struktur, Rituale, Kontakt und Bewegung. Ich fand am ersten Tag in der Gegend ein tolles Yoga-Institut, Earth Yoga & Spa, wo ich dann jeden Nachmittag/Abend hinfuhr. Die Bewegung in der Gruppe tat gut und gab mir Gelegenheit zu etwas Smalltalk. Davor machte ich immer eine kleine Wanderung oder Erledigungen. Für mich ist es an solchen Schreibtagen wichtig, lange Pausen zu machen und aus dem Schreibzimmer wegzukommen. Auch das Herumfahren mit dem Auto in dieser dramatischen Wüstengegend bei lauter Musik weitete meinen Blick aus dem Bildschirmtunnel. Bei einem speziellen Atem-Workshop, der zufällig in „meinem“ Yoga-Studio angeboten wurde, purzelte dann plötzlich eine Erkenntis zu dem Buchkapitel hervor, an dem ich schrieb, die nun wirklich alles drehte. In meinem Buch, in meinem Denken.
Magic Mindwriting eben.

Wie kommt das Neue in die Welt? Schreiben, Malen/Kritzeln, Bewegung, All-ein-Sein und doch verbunden. Für all das müssen wir nicht in die Wüste fahren. Wer diese Strategien mal beherscht, kann sie auch in der Großstadtwüste oder in einer Waldhütte nutzen, um Ideenfindung & Selbtcoaching auf völlig neue Ebenen zu  heben.

Komm in unsere Workshops:
o    Visual Diary: Spielerisches visuelles Gestalten im Journal als Türöffner & Vertiefung, Präsenzworkshop mit Ida Räther-Kronica (ab 3. April)
o    Journal Writing: Ein Schreibraum mit dir selbst, Präsenzworkshop mit Barbara Lachnit (ab 1. Mai)
o    Magic Mindwriting: Ideenfindung & Selbstcoaching durch freies Schreiben, Zoom-Workshop mit mir (ab 8. Mai). Jetzt neu hinzugefügt in unserer genialen Workshop-Serie Inky & the Brain*.

Ich freue mich schon sehr auf Samstag, wo wir in unserem coolen Salon Margareten die Geschichte der Margareta unseres Bezirks gemeinsam neu schreiben werden! Yeah! Komm!

Wir freuen uns auf dich!
Judith

PS: Oftmals haben Blog-Texte & Mailings eigentlich die Form von „Essays“. Hat er dir mein hiesiger Essay über mein Ideen-& Schreib-Retreat in der kalifornischen Wüste gefallen? Dich zum Nachdenken und Tun angeregt? Möchtest du auch Essays schreiben, über dein Spezialthema? Komm in meinen Workshop „Starke Essays, Kommentare & Meinungstexte: Endlich ICH schreiben!“ (Start am 1. April), er ist Teil der Serie „Inky & the Brain“ und förderbar.

*PPS: Alle Workshops der Serie Inky & the Brain sind förderbar! Weil unser Institut für Schreibkompetenz mit dem Wien Cert und dem ÖCert zertifiziert ist, kannst du beim WAFF und anderen Fördereinrichungen Geld dafür bekommen! Diese Woche startet der von Evi Hammani-Freisleben neu entwickelte Workshop „Creative Ink Tank: Kreative Methoden für die Wissenschafskommunikation“ (ab Di, 4. März!). Komm!

 

Aktuell im writers’studio Verein

1. Restplätze für Workshops & Retreats

2. Kostenlose Infoabende

3. Schreibtreffs

4. Save the date

  • writers’studio Open House 2025 – einen Tag lang gratis Mini-Workshops & Austausch, Kaffee & Inspiration: Sa, 20. Sep
  • Writing Retreat in Venedig – Termine: 20.-23. November

Aktuell im Institut für Schreibkompetenz

1. Restplätze

2. Lehrgänge

3. Kostenlose Infoabende

Fotorechte: Judith Wolfsberger

Brief 130: Wir schreiben Margarete neu! Komm zum Salon!

Liebe Schreibende,

wir wollen heuer im Frühling Virginia Woolf spielen! Wir schreiben jetzt die Geschichte um, neu, anders. Virginia Woolf hat die Geschichte ihrer Freundin und zeitweiligen Geliebten Vita Sackville-West auf den Kopf gestellt, schräg, neu, spannend gemacht. Der Roman „Orlando“, den sie auch als „Biographie“ bezeichnet hat, erzählt die Geschichte eines Sohnes aus reichem adeligem Hause, der Jahrhunderte lang lebt. Irgendwann wird Orlando zur Frau. Immer will sie schreiben, immer will sie frei sein, immer will sie zu einer community of writers & adventurers dazugehören, statt fadisierte Adelige oder fadisierte Ehefrau zu sein.

Wir schreiben am Samstag, 8. März 2025, bei unserem fabelhafen Salon Margareten nun gemeinsam die Geschichte der historischen Margarete, Namensgeberin unseres Bezirks und unseres Salons um, neu  und anders! Ba Ossege, die mit ihrem Workshop „Her Story“ seit Jahren zeigt, wie wir alte Texte und Geschichten feministisch neu lesen und überschreiben können, wird diesen Abend moderieren. Wir haben Großes vor, immerhin soll hier die öffentliche Geschichte von Margarete in neuem Glanz erstehen.

Frappierend ähnlich sind die Geschichten von „Margarete von Tirol“ und Vita Sackville-West: beide wurden als einzige Nachkommen ihrer adeligen Eltern um ihre Erbschaft geprellt, weil sie Frauen waren. Das war die Urgeschichte, die Virginia Woolf dazu veranlasst hat „Orlando“ zu schreiben. Indem sie eine „Biographie“ schrieb, weiterlesen →

Brief 129: Raus aus der Kanzler Kickl-Schockstarre, rein in das geistige Empowerment!

Liebe Schreibende,

vor einem Jahr habe ich auf meine Visionscollage (für 2024) spontan ein Foto und ein Zitat von Sophie Scholl, dem großen Idol meiner Jugend, geklebt. Sie ist als sehr junge Frau mit kurzem Haar zu sehen, etwa 1933, die in jeder Hand einen Medizinball hält und in die Ferne schaut. Das Zitat von ihr (vermutlich aus ihrem Tagebuch), das in der Zeitschrift neben dem Foto stand, lautete: „Die Brävste bin ich nicht. Die Schönste will ich gar nicht sein. Aber die Gescheiteste bin ich immer noch!“ Ich habe das ganze vorige Jahr nicht verstanden, warum ich dieses Bild und dieses Zitat für meine Collage ausgewählt hatte. Als ich vorige Woche  einen jungen Supermarktangestellten sah, wie er in seiner Arbeitspause die Rede von H. Kickl am Handy in hoher Lautstärke anschaute und befriedigt nickte, war meine Kanzler Kickl-Schockstarre augenblicklich überwunden. Sophie Scholl tauchte vor mir auf, ihre Flugblätter, ihr wacher Geist, ihr Mut, ihre glasklare Voice! Ich musste, während ich mein Rad mit Einkäufen bepackte, noch eine Weile unfreiwillig Kickl zuhören und stellte mir vor, wie der junge Verkäufer und mit ihm so viele begeistert sein werden. Ich sah vor mir, wie Kickl sie mit seiner nun staatsmännischen Kreidestimme weiter um den Finger wickeln wird. Sie werden sagen: „Ach was, so ein Kanzler ist doch nicht so schlimm. Endlich passiert was.“

Wir müssen jetzt GENAU hinschauen, was da passiert und „LAUT schreiben“ (wie eine Teilnehmerin es unlängst formulierte). Und wir müssen immer mehr junge Menschen dazu befähigen, verführerische Kreidestimmen zu lesen und stark zu schreiben!  Ja, Lesen und Schreiben sind politische Kompetenzen. weiterlesen →

Brief 128: Learn to say “Fuck you” to the world once in a while

Liebe Schreibende,

dies ist kein Weihnachtsgruß, auch wenn ich euch sehr erholsame Feiertage wünsche. Dies ist vielleicht ein Anti-Weihnachtsgruß. Unpassend, aber wichtig.

„Learn to say “Fuck you” to the world once in a while”, schreibt Sol Lewitt in einem berühmt gewordenen Brief an Eva Hesse*. Also ein bildender Künstler schickt an seine Kollegin einen langen Motivationsbrief (im April 1965), in dem er die zentrale Frage jedes kreativen Schaffens auf sensationelle Weise beantwortet: Wie umgehen mit den inneren Stimmen, der inneren Kritiker:in, Zweifler:in, Blockierer:in, Aufschieber:in? Einmal auf die Welt zu sch… bezieht sich weniger auf Arbeit, Geld, Familie und Soziale Medien als vielmehr auf die innere Vorstellung, allen möglichen und unmöglichen gesellschaftlichen und eigenen Vorgaben entsprechen zu müssen – mit dem eigenen Schaffen oder bevor es „erlaubt“ ist überhaupt zu schreiben, malen, zeichnen etc.

Sol Lewitts Brief beginnt so:
„Dear Eva,
it will be almost a month since you wrote to me and you have possibly forgotten your state of mind (I doubt it though). You seem the same as always, and being you, hate every minute of it. Don’t! Learn to say “Fuck You” to the world once in a while. You have every right to. Just stop thinking, worrying, looking over your shoulder, wondering, doubting, fearing, hurting, hoping for some easy way out, struggling, grasping, confusing, itchin, scratching, mumbling, bumbling, grumbling, humbling, stumbling, numbling, rumbling, gambling, tumbling, scumbling, scrambling, hitching, hatching, bitching, moaning, groaning, honing, boning, horse-shitting, hair-splitting, nit-picking, piss-trickling, nose sticking, ass-gouging, eyeball-poking, finger-pointing, alleyway-sneaking, long waiting, small stepping, evil-eyeing, back-scratching, searching, perching, besmirching, grinding, grinding, grinding away at yourself. Stop it and just DO!“

Schau dir den ganzen handschriftlichen Brief von Sol Lewitt an oder die geniale Lesung des britischen Schauspieler Benedict Cumberbatch auf Youtube!

Der Brief enthält viele wichtige Botschaften. Eine davon ist: Egal wie gut jemand ist, wie anerkannt, erfolgreich, blablabla… diese  inneren Stimmen gibt es immer. Wenn wir darauf warten, dass sie verschwinden, dann heißt das, auf kreatives Tun zu verzichten. Zu schreiben ist immer ein Wagnis, auch gegen sich selbst. Also, finde deine Wege, diese Stimmen zu stoppen. Es gibt keinen einfachen Ausweg, no easy way out, wenn ich etwas Eigenes kreieren will, dann muss ich da durch. Ja, natürlich, in den Workshops des writers´studio zeigen wir viele Strategien, wie das Schreiben leichter wird, wie das Handwerk für den Schreibprozess, bestärkendes Sharing & Responding, inspirierende Community, Schreibtreffs- und Retreats. Aber dann kommt der Moment, an dem du dich (alleine) hinsetzen musst und (weiter) machen mit deinem Projekt. Auch, wenn es schwer ist.

Weiter unten im Brief schreibt Sol Lewitt an Eva Hesse, es könne sein, dass es ihr  besser gehen würde, wenn sie das Zeichnen/Malen/Künstlerinsein und -werden hinter sich lassen würde, aber er glaube es nicht: “But if life would be easier for you if you stopped working – then stop. Don’t punish yourself. However, I think that it is so deeply engrained in you that it would be easier to DO!”
Also: Wenn du merkst, dass es dich unglücklich, unrund macht, wenn du nicht schreibst, ein Projekt nicht weiterführst, dann wird es notwendig sein, all diese Stimmen („the world“!) mal konsequent zu ignorieren, sich hinzusetzen und irgendwie zu beginnen. Es „einfach“ zu TUN. Wichtig: mit wenig Anspruch, um in Flow zu kommen. Denn Sol Lewitt schreibt weiter:

“Try to do some BAD work – the worst you can think of and see what happens but mainly relax and let everything go to hell – you are not responsible for the world – you are only responsible for your work – so DO IT. And don’t think that your work has to conform to any preconceived form, idea or flavor. It can be anything you want it to be.”

Nun ist gerade zu Weihnachten eine Zeit, in der die allermeisten keine Gelegenheit für Rückzug zum kreativen Schaffen haben. Während manch andere sehr viel Zeit haben, wenn alles geschlossen ist und sie nicht Weihnachten feiern, aus welchen Gründen auch immer. Deswegen haben wir immer mehrere Workshops in den Weihnachtsferien, Rückzugsräume, um ins TUN zu kommen gleich am Anfang des Jahres:

 

1. Ich freue mich sehr, wenn du noch in mein Mindwriting zum Jahreswechsel (2.-5. Januar in Wien und/oder per Zoom)  kommst! Ein paar Plätze sind noch frei. Wir finden schreibend die Spur zu den Dingen, die dir wirklich wichtig sind im neuen Jahr, dann geht’s leichter. Hier ein neues kurzes Video dazu.

2. Ebenso eine lange Tradition hat das Life WritingSeminar von Anna Ladurner in den Weihnachstferien. Heuer schon ausgebucht, aber ein Tipp für nächstes Jahr? (Weitere Termine unterm Jahr sind noch buchbar)

3. Am 6. Januar startet wieder Zona Rosa: Erotisches Schreiben für Frauen*“ mit Johanna Vedral, ein ganz besonderer Zoom-Workshop. In geschütztem, wohligem Rahmen schreiben wir Texte über weibliches Begehren – jenseits der Mainstream-Fantasien aus männlicher Sicht. Hier ein neues kurzes Video dazu.

4. Am 7. Jänner startet eine verkürzte Variante unseres Workshops Writers´Tricks, der dein Schreiben auf eine ganz neue Schiene bringt. Life changing und so wohltuend – auch für Menschen, die beruflich schon viel schreiben! Als Teil unserer neuen Serie Inky & the Brain buchbar oder auch einzeln. Go for it!

Ich werde mich in der Weihnachtswoche zum Schreiben zurückziehen, um in der stillen Zeit eine Megaparty mit den Figuren und Entdeckungen meines Buchprojekts zu machen…

Happy Festive Season – wie immer du sie gestaltest,

Judith

PS: Achtung: Am 25. Januar starten wir wegen großer Nachfrage eine 2. TIP-Gruppe: Ausbildung zur Schreibtrainer:in (Schreibkompetenz und Empowerment). Die letzte Möglichkeit Writers Tricks als Voraussetzung für diesen Lehrgang zu besuchen, ist am 7. Januar 2025!

*PPS: Mehr über die beiden Künstler:innen, ihre Beziehung und diesen Brief im sehr empfehlenswerten Blog von Maria Popova:www.themarginalian.org.
Hintergrundgeschichte auf gwarlingo.com.

 

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1. Restplätze für Workshops & Retreats

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1. Restplätze

2. Lehrgänge

Brief 127: Inky & the Brain gegen die Banalität des Bösen

Liebe Schreibende,

schwierige Zeiten sind das. Was Amerika betrifft, schwanke ich zwischen: vor Schock die Decke über den Kopf ziehen und ungeduldigem Warten auf komplexe Antworten und Strategien. Immer ist mir mein Abo der Wochenzeitschrift The New Yorker dabei eine Hilfe. In der Ausgabe vom 18. November gibt es eine „Reprise“ zu Trump mit sehr unterschiedlichen, überraschenden und frischen Texten, keine typischen Schnellanalysen, eher essayistische oder wissenschaftliche Annäherungen an ein schmerzhaftes Fiasko. Timothy Snyder, der Trump einen „American Fascist“ nennt, schreibt, ein Liberaler müsse hundert, vielleicht tausend Geschichten erzählen. Ein Kommunist hat nur eine einzige Geschichte, die auf ein gedachtes Ziel hinausläuft. Ein Faschist muss ein Geschichtenerzähler sein, aber seine Geschichten müssen sich auf nichts Reales beziehen und nicht konsistent sein. „A fascist storyteller just has to find the pulse and hold it.“
Wir liberale, demokratischen Menschen sind hingegen, so Snyder, konfrontiert mit der großen Komplexität der Geschichte und der Gegenwart, wir ringen mit der überwältigenden Anzahl an Fragen, die zu stellen und mit Antworten, die zu finden sind.

Ja, wir müssen, wollen, sollen hundert oder tausend Geschichten schreiben. Komplexe Themen und Fachwissen gut verständlich und ohne an Tiefe zu verlieren, schriftlich zu formulieren, ist zutiefst demokratisch, sagt Irene Steindl im nachfolgenden Gespräch über unsere neue Workshop-Serie „Inky & the Brain: Komplexe Inhalte schreibend vermitteln“. Ob wir Wissenschafter:innen sind, Fachreferent:innen oder Expert:innen jeder Art, solche Schreib- und Kommunikationsstrategien brauchen wir jetzt ganz dringend!
Hier ein kurzer Film zu Inky & the Brain.

Irene Steindl, Journalistin und Schreibtrainerin, hält seit vielen Jahren Writers‘ Tricks und nun auch einige Workshops in unserer „Inky & The Brain“-Reihe (einzeln buchbare Zoom-Workshops ab Januar 2025).

Judith: Irene, welche Erfahrung hast du mit Menschen mit viel Knowhow, Fachwissen, wissenschaftlichem Hintergrund, die gerne leicht verständliche, spannende Texte schreiben wollen, aber nicht so recht wissen, wie?

Irene Steindl: Ich arbeite gerne mit Wissenschaftler:innen und Fachexpert:innen, weil sie jede Menge spannendes Wissen mitbringen. Manchmal gelingt es nur schwer, dieses Wissen verständlich einem breiten Publikum zu vermitteln. Das kann ich ihnen nicht verdenken: Wer sich tagein, tagaus in einer bestimmten Sprache und Gedankenwelt bewegt, nimmt sein Wissen für selbstverständlich. Außerhalb der Fachwelt brauchen wir jedoch eine andere Sprache, eine konkrete und lebendige.
Manche befürchten, dann „banal“ zu wirken und an Fachlichkeit einzubüßen. Diese Angst teile ich nicht. Verständlich bedeutet nicht banal. Es bedeutet: Ich kann mein Fachwissen zugänglich machen, ohne an Tiefe zu verlieren. Das ist doch zutiefst demokratisch. Es geht darum, klare Aussagen zu finden, konkret und beispielhaft zu formulieren, sich der Zielgrupppe und ihrer Bedürfnisse bewusst zu werden. Letztlich geht es um Schreibkompetenz: Was will ich vermitteln und wie gelingt mir das am besten?

Judith: Du hältst eine verkürzte Variante von Writers Tricks in Inky & the Brain. Was kann eine Teilnehmer:in danach besser, anders als zuvor?

Irene: Writers‘ Tricks ist der Anfang, um Schreiben neu zu entdecken. Ich erinnere mich gern an meinen eigenen Writers‘ Tricks-Besuch vor vielen Jahren. Es hat so viel verändert, obwohl ich damals schon Journalistin war: wie ich zu Ideen komme, wie ich mein Schreiben plane, dass ich mir selbst erlaube „Shitty First Drafts“, also miserable Erstentwürfe, zu schreiben, um sie dann zu überarbeiten. Vor allem aber: Mit welcher Haltung ich meinem Schreiben und mir als Autorin begegne. Writers‘ Tricks weckt die Schreiblust und vermittelt zugleich ganz viel Schreibkompetenz. Konkret wird es im Kompaktkurs darum gehen: Wie komme ich überhaupt ins Schreiben, wie kann ich meinen Schreibprozess optimal gestalten, wie komme ich zu Rohtexten und wie schleife ich sie zu Diamanten? Und wir geben bestärkendes Textfeedback nach der Methode Sharing & Responding*. Das ist das Highlight am letzten Tag, für die Teilnehmenden aber auch für mich als Trainerin – zu sehen, was im Kurs entstanden ist und das zu teilen. Wie immer im writers´studio teilt nur, wer mag.

Judith: Schon in Writers Tricks geht es um Storytelling (wie finde ich einen roten Faden, eine Geschichte, eine lockere Sprache?). Was kommt dann in deinem Storytelling-Workshop, der auch als Intro ins Journalistische Schreiben gedacht ist, noch dazu?

Irene: Im Storytelling-Workshop geht es konkret darum, was eine gute Geschichte ausmacht und wie ich Fakten in Geschichten verpacken kann. Geschichten sind Schuhlöffel, damit Inhalte verständlich transportiert werden können. Und mehr noch: damit Inhalte in Erinnerung bleiben, greifbar werden. Das ist gerade für Fachtexte und wissenschaftliche Texte extrem wichtig. Ich will mein Wissen ja in die Welt tragen. Der Storytelling-Workshop ist eine Art Trickkiste – wir schauen uns an, was wir für unsere Texte vom Film lernen können, wie wir Spannung und Dramaturgie reinbringen, wie wir einen Plot entwickeln. Wir fragen uns: Welche Botschaft will ich vermitteln? Welche Geschichte lässt sich erzählen? Wie erzähle ich sie?

Judith: Du hältst auch einen Workshop zu Schreiben mit KI. Ist KI böse und nur das wovor die Lehrer:innen einen Horror haben, weil die Kids nun nichts mehr selbst schreiben? Welche Tools gibt es, die einer Person, die selbst schreiben will oder muss, helfen können?

Irene: KI wird bleiben – deshalb ist es wichtig, einen reflektierten Zugang dazu zu finden. Ich selbst beschäftigte mich intensiv zu den Themen KI und Schreiben und KI in der Erwachsenbildung. Dabei arbeite ich viel mit Tools wie ChatGPT, Perplexity oder Claude und erstelle eigene Chatbots, die gezielt auf meine Bedürfnisse abgestimmt sind. Für mich ist KI beim Schreiben wie eine gute Sparringpartnerin – ein Tool, das Inspiration bietet, beim Strukturieren hilft und Ideen gibt, auf die ich alleine nicht sofort gekommen wäre. Aber gerade, weil ich das Potenzial kenne, sehe ich auch die Grenzen und Gefahren. Manche gehen mir zu euphorisch und unkritisch an KI heran, andere zu ängstlich. Im Workshop geht es darum, einen nüchternen, fundierten Umgang zu finden: Was kann KI wirklich leisten? Wo liegen die Stärken und Risiken, und wie kann ich mir das Tool als Schreibende:r ganz praktisch zunutze machen, so wie es zu mir passt? Mein Ansatz ist: ausprobieren, einordnen und dann bewusst entscheiden, ob und wann man ein Tool nutzen will. Für Schreibende gibt es viele hilfreiche Anwendungen – ob zur Ideenfindung, zum Strukturieren, zum Abbau von Schreibblockaden oder zur Verbesserung von Texten. KI kann eine echte Entlastung sein, aber ich sehe sie immer als Co-Pilotin. Am Ende gehört der Text den Schreibenden, denn sie bringen die Seele ins Schreiben – das übernimmt keine Maschine.

Judith: Für wen aller sind die Inky & the Brain -Workshops gedacht?

Irene: Inky & Brain richtet sich an Fachexpert:innen aller Art, Menschen aus der Wissenschaft und alle, die im wissenschaftlichen Kontext arbeiten und spüren, dass ihre Botschaften zu verkopft klingen. Unser Motto lautet: Lasst uns gemeinsam Wissen in die Welt tragen!

Judith:  Ja, genau, das wollen wir! Danke, liebe Irene.
Kommt zum Inky & the Brain-Infoabend am Di, 10. Dezember 2024 um 18 Uhr (Zoom), Irene und ich freuen uns auf euch.

Bleiben wir komplex, schreiben wir dabei verständlich!
Judith

PS: Auch in meinem Lehrgang „Spannendes Sachbuch schreiben“ geht es darum, wie komplexe Themen, Erfahrungen und Knowhow für Zielleser:innen gut verständlich, erfrischend und fokussiert dargestellt werden können. Achtung, Infoabend dazu ist schon am Di, 3. Dezember 2024 17 Uhr (Zoom).

*PPS: Die Methode „Sharing & Responding“ wird in all unseren Workshops angewendet. Oder du kommst zum neuen Schreibtreff „Text-Sharing Matinee – Bestärkendes Feedback & kollaborative Textarbeit“: hier teilst du Textentwürfe mit wohlwollenden Erstleser:innen und lernst, Sharing & Responding achtsam und zeiteffizient zu moderieren. Nächster Termin: So, 22. Dezember 2024.

 

Aktuell im Institut für Schreibkompetenz

1. Restplätze

  • Writers‘ Tricks – In den Schreibfluss eintauchen & schriftlichen Ausdruck stärken.
    Start: 6. Dezember (Präsenz&Zoom) oder 18. Januar (Präsenz&Zoom)

2. Lehrgänge

3. Kostenlose Zoom-Infotermine

  • zum Lehrgang Schreibtrainer:in werden (TIP): Mi, 18. Dez (18 Uhr)
  • zum Lehrgang Spannendes Sachbuch schreiben: Di, 3. Dez 24 (jeweils 17 Uhr)
  • zur Workshop-Reihe Inky & the Brain: Di, 10, Dez (jeweils 18 Uhr)

Anmeldung für die Infoabende bitte per Mail: infoabend@writersstudio.at

Aktuell im writers’studio Verein

1. Restplätze für Workshops & Retreats

2. Lehrgänge

  • Passion Writing – Eintauchen in Kunst, Handwerk & Community des literarischen, autofiktionalen & feministischen Schreibens, Einstieg am 6. Dezember oder 18. Januar möglich
  • Memoir Book – Aus ausgewählten Erfahrungen & Erkenntnissen ein literarisch spannendes Buchprojekt entwickeln, Einstieg am 6. Dezember oder 18. Januar möglich

3. Schreibtreffs

Fotorechte: Foto vom Coverbild des New Yorker & Video-Still (Judith Wolfsberger), Portrait (Irene Steindl)

Brief 125: Unser Text-Sharing nun auf Video! Gutes für die Schreibseele im Passion Writing Lehrgang

Liebe Schreibende,

  Was macht das writers´studio anders? Was unterscheidet unsere Art, Schreiben zu fördern, von vielen anderen Anbietern?  So manche Teilnehmer:innen, die zuvor in diversen literarischen Schmieden im deutschsprachigen Raum ihr Glück versucht haben, erzählen uns, wie erleichtert sie sind, sich im writers´studio endlich mal nicht vor kränkender Kritik wappnen zu müssen. Oft höre ich Sätze wie: „Eure Art, mit Texten der Teilnehmer:innen umzugehen, Feedback zu geben, tut so unendlich gut. Da finde ich (wieder) Freude und Mut, um weiterzuschreiben.“

Im deutschsprachigen Raum wird oft etwas „Feedback“ genannt, was eigentlich Holzhammerkritik ist. Um uns davon zu unterscheiden, haben wir nun lange vom „Friendly Feedback“ gesprochen. Unsere radikal stärkenorientierte Art, auf Texte, die im Entstehen sind, zu „antworten“ kommt, wie all unsere Methoden, aus dem angloamerikanischen Raum. Peter Elbow und Pat Belanoff nennen es „Sharing & Responding“.  Dies tut allen Texten und allen Schreibennde weiterlesen →

Brief 124: Kommt zum neuen Salon Margareten! – Premiere!

Liebe Schreibende,

Uiuiui… was, wenn H. Kickl (HK) österreichischer Bundeskanzler wird und Kamala Harris (KH) amerikanische Präsidentin? Dann wandere ich aus. Setz mich wie in diesem Sommer in die New York Public Library und schreibe mein Buch fertig. Ich träume mich gerade dorthin zurück. Morgenkaffee im absolut wunderbaren Bryant Park, an dessen Rand das stolze Gebäude der Hauptbibliothek steht, dann rauf in den ehrenvollen Lesesaal mit hohen Decken, alten Leselampen, breiten Holzsesseln mit Blick auf Midtown Manhattan und los gehts.

Ich fühlte mich so sehr als Autorin und Historikerin diesen Sommer in New York, schreibend, recherchierend, Fachgespräche führend. Jeden Tag der gleiche kreative Rhythmus, morgens in den geliebten Lese- & Schreibsaal, zurück nach Brooklyn zur Siesta in das Brownstone-Häuschen einer Bekannten, Nachmittagstee im wuchernden Garten, abends Kulturprogramm mit Lindy Hop, Jazz, Buchhandlungen oder nochmals in den Bryant Park zum Yoga! Stellt euch vor, da praktizieren im Sommer jeden Mittwoch an die 1.000 Leute gemeinsam Yoga, umgeben von der New Yorker Midtown Kulisse, angeleitet von einer großartigen Lehrerin auf einer Bühne! Sehr, sehr cool.

Wie Bücher fertig werden, darum geht es beim weiterlesen →

Brief 123: YES, AND… in NY & Open House in Wien UND per Zoom (Sa, 21. September)

Liebe Schreibende,

ich bin noch ein bisschen in der Jetlag-Wolke. Der Vorteil daran ist, dass ich länger Zeit habe, New York Revue passieren zu lassen. Ich könnte viele Blog-Mails mit meinen Erfahrungen in diesen zweieinhalb Wochen dort füllen, so schräg, so cool, so kreativ waren sie.* Aber jetzt möchte ich euch mal schnell UND herzlich zu unserem Open House einladen, am Samstag, 21. September von 9 bis 19 Uhr.

Du kannst per Zoom teilnehmen. Oder bei Kaffee und Keksen in unsere umgestalteten, wunderbaren Räumen in Wien 5 zum Schreiben kommen. Einfach vorbei kommen in unserem Schreibschloss am Wienfluss! Diesmal bieten wir einen kleinen (veganen) Mittagssnack UND einen abendlichen Abschluss-Drink an. Das Programm findest du online. Anmelden brauchst du dich nur für den Zoom-Link.

Wir präsentieren aus jedem unserer Lehrgänge einen kostenlosen Schnupper-Workshop:

•    Spannendes Sachbuch schreiben UND
•    Inky & the Brain: Komplexe Inhalte schreibend vermitteln – UND weiterlesen →

Brief 122: Die neuen, großen Erzählerinnen sind da! Lesen statt Reisen?

Liebe Schreibende,

wer liest noch im Sommer am Strand? Bei dieser Hitze am Mittelmeer? Alternative: Zu Hause lesen statt reisen? Ich jedenfalls bin in den letzten Wochen in einen Roman hineingefallen wie in ein erfrischendes Meer und bin mit der Autorin viele, viele, viele Stunden mitgeschwommen. Voller Freude, wie sie mir die Welt erzählt, mein Herz und Hirn öffnet und durchspült. Ich bin im endlosen Staunen darüber, wie diese junge Autorin es geschafft hat, mich über sage und schreibe 1275 (!) Seiten, teils bis spät in die Nacht hinein, in ihrer großen, weiten Erzählung zu halten.
In der kleinen, kleinen, feinen Münchner Buchhandlung „Buchpalast“ wurde mir Nino Haratischwilis vielfach preisgekrönter und bereits in mehreren Übersetzungen vorliegender großer Roman „Das achte Leben (für Brilka)“ empfohlen. Mir scheint, in Deutschland ist die deutsch-georgische 41-jährige Autorin bereits mehr Lesenden bekannt als in Österreich. Seit Tagen empfehle ich weiterlesen →

Brief 121: Roter Kult-Schreibtisch abzugeben

Liebe Schreibende,

heute melde ich mich nur kurz, schnaufend aus dem Planungs- und Umzugsmarathon. Umzug? Nein, wir ziehen nicht schon wieder um, aber wir werden einen Teil unserer Seminarräume abgeben und sind dabei, unsere wunderschönen Seminarräume, die „Lounge“ mit Erker-Blick auf den Wien-Schreib-Fluss und die „Factory“ mit der Hybrid-Anlage aufzupeppen und auch etwas kuscheliger zu gestalten. Es schaut so toll aus – das müsst ihr sehen!*

Einige Tische, Stühle und Lehnsessel werden wir verabschieden. Darunter fällt auch der rote Schreibtisch. DER rote Schreibtisch! Seit etwa 15 Jahren ist der kleine Sekretär von „Werkhaus“ ein „Oh! & Ah!“-Stück im writers´studio. „Oh, darf ich hier schreiben?“, fragen die Teilnehmer:innen mit glänzenden Augen. „Ah, wie schön,“ rufen sie aus. „Wo hast du den her? Und wo gibt es ihn zu kaufen?“ Nein, es gibt ihn seit vielen Jahren nicht mehr am Markt. Jetzt ist die Gelegenheit! Wir versteigern ihn. Naja, so ähnlich. Wir verschenken ihn um eine Spende von mindestens 100€. Wer mehr und am meisten bietet und ihn bis spätestens Ende Juni bei uns in Wien 5 abholen kann, bekommt ihn. Das läuft (ausschließlich) über Willhaben unter diesem Link.

Zweitens möchte ich euch erzählen, dass wir weiterlesen →