Liebe Schreibende,
selten hat mich ein Literatur-Nobelpreis so überrascht und befriedigt wie der dieses Jahres. Es ist ein Nobelpreis für das „Memoir“ – neuerdings im deutschsprachigen Raum mit dem cooleren Begriff „Autofiktion“ versehen. Kommen nun autobiographische Erzählungen endlich auch für die hiesige Literaturkritik aus der Schmuddelecke? Neuerdings schreiben ja auch angesehene Literat*innen, wie z.B. Monika Helfer „Autofiktion“. Vielleicht müssen Verlage bald auch so eindeutig autobiographische Werke wie „Die Welt von gestern“ (Stefan Zweig), „Der Liebhaber“ (Marguerite Duras), „Die Asche meiner Mutter“ (Frank McCourt) oder „Wann wird es endlich wieder wie es nie war“ (Joachim Mayerhoff) nicht mehr „Romane“ nennen? Vielleicht werden – wie seit Jahrzehnten im englischsprachigen Raum üblich und finanziell sehr einträglich – Buchhandlungen endlich eigene Abteilungen zu „Autofiktion“/„Memoir“ einrichten?
Zu hoffen ist, dass frau von nun an nicht mehr mitleidig belächelt wird, wenn sie sagt, sie schreibe ein „Memoir“, „eine autobiographische Geschichte“. Bisher wurden wir ja tendenziell abgewertet mit dem Blick à la „Die hat wohl Probleme, die Arme, die sie schreibend bewältigen muss.“ Ja, eh, wer nicht? Wie spannend und weltbewegend solche Bücher sein können! Für mich sind oben genannte Werke prägend gewesen, life changing, haben meine Sicht auf die Welt enorm erweitert. Es macht einfach einen Unterschied, ob ein Thema „rein fiktional“ dargestellt wird, oder ob ich als Leserin weiß, es sind reale Geschehnisse, die weiterlesen →